Dieser zwei Wochen Rhythmus macht mich fertig.
Ich bin Zwilling, doppelgesichtig, Gollum mit mir selbst. Abhängig von meinen Hormonen, meinem Zyklus. Ich bin das extremisierte Klischee der beeinflussten Frau. Vom Start meiner Tage bis zum Eisprung geht’s mir gut. Ich bin selbstsicher, zufrieden, ich sehe den Sinn. Sobald aber mein Eierstock die Eizelle ausstösst, wird es seltsam: Etwas zieht dich rein, runter, tiefer, etwas dreht dich um, stülpt das Innere nach aussen. Und dann ist plötzlich alles bedrohlich: Ich denke zu oft an den Tod und die Verstorbenen, wie kurz das Leben ist und bin überzeugt, dass ich es grundsätzlich falsch angehe. In meinen Träumen wird entführt und verstümmelt. Entweder klopft mein Herz zu schnell und alle meine Nerven vibrieren, alles ist zu viel, ich will weg oder in mir drin ist ein schweres Nichts. Ich spüre zu viel oder zu wenig, bin gehetzt oder habe Gewichte an allen Gliedern. Manchmal möchte ich mir alle meine Haare einzeln aus meiner Haut ziehen, manchmal möchte ich alles essen, manchmal bohre ich meine Fingernägel in die Arme, um mich vom Druck um mein Herz abzulenken.
Das ist das dysphorische der prämenstruellen dysphorischen Störung
Das Unwohlsein ist körperlich, psychisch und sozial. Die Störung bin ich für mich selbst. Das Ganze wird durch den zwei Wochen Rhythmus noch perfider. In zwei Wochen gewöhne ich mich an die Umstände. Läuft’s zwei Wochen gut, dann glaube ich, dass es so weiter geht. Bin ich zwei Wochen dysphorisch, depressiv, anxious, dann glaube ich der Stimme im Kopf, die erzählt, dass es für immer so bleibt, dass das, was ich jetzt erlebe, mein eigentliches Selbst ist. Dass all mein bisheriges Glück nur eine Illusion war.
Von Eisprung bis Periode ist es Hölle.
Aber was das Ganze noch fast schlimmer macht, ist der ständige Wechsel. Ich kann mich nie an meinen Zustand gewöhnen. Sobald ich mich damit abgefunden habe, dass es mir jetzt halt wieder schlecht geht, ich trotz allem mein Self-Care-Regime stärke, überfordernde Termine verschiebe, mich so gut wie es geht, um mein dysphorisches Selbst kümmere und entdecke, welche Taktiken sich bewähren, ist diese Phase auch schon vorbei. Ein bisschen Blut und die Welt ist wieder schön. Natürlich bin ich froh und dankbar. Natürlich habe ich auf diesen Moment gewartet. Dennoch: Ich starte in die zwei guten Wochen, bin die ersten Tage erschöpft und geschockt über all das, was während den schlimmen Wochen in mir passiert ist und erhole mich allmählich. Meine Freund:innen, meine Arbeit, mein Politisch-sein, meine Familie, mein Wohnen, alles erfüllt mich wieder. Ich betrachte mein Leben, dass ich für mich und meine Erkrankungen eingerichtet habe und vergesse, wie schlimm es sein kann. Genauso wie ich während den schlimmen Tagen vergesse, wie gut es mir gehen kann. Ich beginne, Pläne zu schmieden, die mir Freude machen. Habe Ideen, mit wem und was ich mein schönes Leben füllen könnte. Und dann plötzlich wieder dieser Moment, in dem sich alles verzieht. Die schlimme Phase beginnt wieder.
Weder in den leichten noch in den schwierigen Tagen kann ich ankommen.
Ich muss ständig wechseln, mich mit den neuen und dennoch bekannten Begebenheiten abfinden, es gibt keine Ruhe, kein Dazwischen nur dieser ständige Wechsel.
Natürlich bin ich froh, geht es mir nicht ständig scheisse. Eh. Natürlich bin ich dankbar, dass ich zwei Wochen pro Monat erkenne, wie gerne ich lebe. Dennoch: Zwei Wochen sind gleichzeitig zu kurz und zu lang. Zu kurz, um sich einzurichten, etwas aufzubauen, Konsequenzen zu ziehen. Zu lange, um nicht zu glauben, dass es jetzt so bleibt, ich daraus Konsequenzen ziehen sollte. Das Ding ist, dass du dich nie auf dich selbst verlassen kannst. Bist du jetzt stark oder zhart?
Veränderung ist anstrengend, auch wenn sie Teil vom Leben ist. PMDD bedeutet ein intensiver Wechsel, ein Leben geprägt von einem zweiwöchigen Rhythmus. PMDD ist die Höller der zwei Wochen.
Fotocollage: Makarios Tang, Towfiqu barbhuiya, Christopher Ott, Georgi Sariev on Unsplash