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Fibro küsst Endo

Krankheit in drei Teilen

Teil 1

Du siehst mich nur liegen, jammern, hinken, du siehst mich nicht da sein. Nicht anwesend an PartybootpuppentheaterKinofilmTanzgehabe, nicht am WandernKletternDemonstrieren, dieser einen jenen Lebensfreude, die sich aufrafft für das Leben Anderer. Ich bin nicht da, am Abend, lautrauchend, Bierdosen haltend,  Dampf ausstossend, die Musik am übertönen.  Nicht da, wo ihr euch aufbäumt, gegen das Anbrechen des Tages mit dem Trotz tausend kleiner Kinder.

Ich bin am schlafen.

Ich bin am liegen.

Ich bin am denken: Gopferdammihueresiech, wie scheisse ungerächt esch das? Es duet alles so weh, i explodier.

Ich bin krank.

Fibromyawas? Endometrihä?

Ich bin beim Arzt.

Zum siebzehnten Mal, Ich kenne die Vornamen aller Arztgehilfinnen, Sabrina macht Schluss mit Stefan und Marlen hat ein neues Tattoo. Und wenn sie zuwenig geschlafen haben, treffen sie die Venen schlecht. Er sagt: Alles getestet, eigentlich müsste es Ihnen doch gut gehen. Eigentlich sind sie zu jung dafür.

Eigentlich.

Eigentlich müsste Kapitalismus längst abgeschafft, die Grenzen dekonstruiert, die Ängste abgebaut, die Ressourcen fair verteilt, uns selbst organisiert. Eigentlich ist eigentlich immer eignes ein Beweis dafür, dass es nicht so ist.

Es geht mir schlecht, ich stecke im Körper einer alten Frau, die zu viel getanzt und 46 Jahre, 9 Stunden am Tag am Fliessband Kartoffeln sortierte und neben einem zugigen Fenster auf Erbsen schlief, ein Körper der fünf Kinder gebar und immer bereit war, nachts aufzuspringen und Taschen zu tragen.

Ich sage, Doktor es geht mir schlecht.

Alle meine Körperteile wollen mich verlassen, ich bin das sinkende Schiff. Die Wirbelsäule versucht sich aus dem Rücken raus zu drücken, so wie man Schmerztabletten aus Alu poppt, der Bauch versucht die Flucht nach vorne oben, gefüllt mit faulem Gas fliegt er davon und zieht die Haut. Die Brüste füllen sich mit klumpigem Gelee und tun weh.

Die Nervenenden vibrieren in der Leere rund um mich und jedes Auto, jedes Lachen, jede Nachricht, jedes Krachen ist zu viel. Bringt mich unter Wasser, ausser All, in eine Wolke unspürbare Watte, polstert sie ab, die Welt und seid endlich still.

Alles Kluge saust davon und lässt das dreckiges Geschirr in meinem Kopf. Such ich da drin nach Worte, so stoss ich sie um, denn wo mein Körper aufhört ist nicht mehr wirklich klar. Und Alles kracht in meinen Nacken. Die klebrigen Reste laufen runter und verbrennen mir die Wirbel. Muskeln wollen sich retten, kugeln sich zusammen, bilden Ketten von Verkrampfung, hätten sie doch nur, den Organen damit nicht die Vorstellung von NOTZUSTAND vermittelt.

Dem Magen wird es übel von der Vorstellung dass überall da Zellen wachsen und bluten, feiern, weiblich sind. Und Blase wird die alte Frau, die den Krieg erlebte und darum nichts geben kann. Herz hämmert das rote Licht heraus und fragt sich, wo denn Exit ist. Und Leber sagt, trink jetzt besser nichts. Doch Zunge fragt, wie soll ich nicht, denn alles ist kauptt, und die Polsterwolke von der du sprichst, die liegt im Glas. Sie ist in Zellulose eingewickelt, sie kommt durch Feuer, Flamme, Rauch und Emulsion. Du kannst es nehmen und bist weg, enthoben all den Schmerzen, mystisch schwebend da, wo alles ineinander greift.

Das Hirn, zwanzig Jahre älter als der Rest, weiss: es kann da ja nicht bleiben, es geht immer zurück in Körper, Schmerzen, und zu Füsse mit kleinen Nädelchen gespickt, zu Gelenken, die nicht halten. Und Ärztinnen sagen, das wird sie wohl begleiten, vielleicht ein Leben lang, da kann man jetzt nichts machen.

Fotocollage von:

Bild 1 – Dan-Cristian Pădureț, Markus WinklerIzz R, Pickled Stardust , Sean Benesh, Max Langelott, Mulyadi, Ardian Lumi, Михаил Калегин, Jakob Owens, Nick Fewings

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